Kultur und Essen im Café Diderot… ein Gespräch mit Christoph Klotter
Foto: Natascha Morokhova
Hier schreibt Eva Kracke
Christoph Klotter lehrt Ernährungspsychologie und Gesundheitsförderung an der FH in Fulda und er führt gemeinsam mit seiner Frau Eva-Maria Endres, Ernährungswissenschaftlerin, ein Café in Berlin. Ein ganz besonderes Café – das Diderot. Ich wollte Näheres wissen.
EK: Herr Klotter, herzlichen Dank, dass Sie sich Zeit nehmen für unserer Telefonat. Ich bin neugierig. Wie kommt ein Professor an der FH in Fulda zu einem Café in Berlin?
Christoph Klotter: Ja, das ist ungewöhnlich. Es war die gemeinsame Idee von meiner Frau und mir dieses Café zu gründen. Wir kommen beide aus der Slow Food-Bewegung. Meine Frau hatte ein Weiterbildungskonzept für Ernährungsfachkräfte entwickelt, für das wir eine Möglichkeit der Umsetzung gesucht haben und wir wollten beide einen Ort der Esskultur und des Austausches schaffen.
EK: Das heißt in Ihrem Café wird Essen nicht nur serviert sondern auch darüber geredet?
Christoph Klotter: Genau, der Name „Diderot“ steht für diese Idee. Denis Diderot war einer der führenden Vertreter der französischen Aufklärung. Sein Lebenswerk, die Enzyklopädie, dokumentierte das gesamte Wissen der damaligen Zeit. Hier schrieben gleichberechtigt Handwerker, Philosophen und Künstler. Denis Diderot setzte sich für die Gleichstellung von Handwerk und Wissenschaft ein. Das wollen wir fortleben lassen.
EK: Am Beispiel von Essen und Trinken?
Christoph Klotter: Uns sind das Gespräch und der Dialog wichtig. Es gibt heute so viele verschiedene Ideologien. Mit dem Diderot wollen wir einen Ort schaffen in dem kontrovers diskutiert werden darf und soll. Zum Beispiel haben wir im Frühjahr 2018 das Symposium „Gute böse Lebensmittelindustrie“ veranstaltet. Hier diskutierten Vertreter der verschiedensten Richtungen aus Politik, NGOs und Lebensmittelwirtschaft. Stolz sind wir, dass es uns sogar gelungen ist, Nestle, den am meisten verteufelten Lebensmittelkonzern mit an den Tisch zu bekommen. Wir wollen das Miteinander im Gespräch fördern, gemeinsame Lösungsmöglichkeiten suchen und dem Kampf gegen die jeweils andere Seite mit offenem, rationalem Diskurs ohne Hassbotschaften begegnen. Mit der Veranstaltung ist uns das ein Stück weit gelungen. 2019 wird es im Springer Verlag eine Veröffentlichung hierüber geben.
EK: Das ist wirklich spannend. Interessant finde ich auch Ihre Idee der Marktschwärmer. Was steckt dahinter?
Christoph Klotter: Wir verwenden im Diderot Zutaten aus der Region und bestellen diese soweit möglich bei einer Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft von regionalen Kleinbauern – das sind die Marktschwärmer. Hier können auch Konsumenten direkt ihre Lebensmittel beziehen. Bestellt wird im Netz, die Erzeuger bringen die bestellte Ware mittwochs zwischen 18.30 und 20.00 Uhr ins Café Diderot und die Konsumenten holen die Produkte ab. Das gibt ihnen die Möglichkeit mit den Erzeugern ins Gespräch zu kommen, Rezeptideen auszutauschen und mehr über die Viehhaltung, den Gemüseanbau und die Herstellung von Produkten zu erfahren. Die Produkte sind frisch und unbelastet, der Geschmack überzeugt. Unser 4jähriger Sohn ist da ein gutes Beispiel. Er lehnt Tomaten ab. Wenn es mittwochs von den Marktschwärmern welche gibt, sind sie jedoch ruckzuck verputzt.
EK: GENUSS wird im Diderot groß geschrieben, das zeigt auch ein Blick in die Speisekarte. Haben Sie ein besonderes Highlight in Ihrer Küche?
Christoph Klotter: Wir haben vor allem französische Köstlichkeiten auf unserer Speisekarte. Besonders beliebt ist der Flammkuchen mit Blauschimmelkäse, Birnen und Walnüsssen.
EK: Wenn man Ihre Homepage anschaut, kann man den Eindruck gewinnen: das Diderot ist Begegnungszentrum- und Bildungsort wie eine kleine vhs – es finden Fortbildungen, Kochkurse, kulturelle Veranstaltungen statt.
Christoph Klotter: Ja, richtig – im Café Diderot treffen sich die verschiedensten Gruppen. Ein Kernangebot sind Kochkurse mit Schwerpunkt Esskultur. Auch hier wird das Verbindende gesucht. Menschen mit Beeinträchtigung oder Fluchterfahrung kochen mit Beheimateten und tauschen sich aus.
Menschen können aber auch selbst Angebote im Diderot organisieren. So hat eine Gruppe ehemaliger DDR-Bewohnerinnen an einem Abend erzählt wie das Gebiet rund um das Café Diderot früher war – vor der Wende. Hier findet auch viel nachbarschaftliche Verbindung statt.
EK: Herr Klotter nun weiß ich mehr und bin noch neugieriger geworden. Sobald ich das nächste Mal in Berlin bin, schau ich im Diderot vorbei. Wir sehen uns ja schon am 5. Februar in Nürnberg auf unserer Bundesfachkonferenz. Ich freue mich auf Ihren Beitrag zum Thema „Selbstoptimierung“. Hier wird es unter anderem darum gehen, dass Essen zunehmend moralisiert wird und wie es gelingen kann, sich gesellschaftlichen Anforderungen nicht blind zu unterwerfen sondern sie auch kritisch zu hinterfragen.
Haben Sie vielen Dank für das Gespräch.