Eine neue Lehrküche – wie beeinflusst das Drumherum unsere Kochlust? – Ein Denkanstoß
Küche Farmsen, VHS Hamburg 2018 | Copyright VHS Hamburg, Foto: Markus Hertrich
Hier schreibt Deborah Sommer:
Lange habe ich überlegt wie und vor allem was an dem Bau einer neuen Lehrküche für Programmplanende interessant sein könnte. Abgesehen von den reinen Fakten (Kosten, Größe, welche Räumlichkeiten, wie viele Personen, welches Budget, welcher Stadtteil, Zielgruppe uvm…), die natürlich auch wichtig sind, möchte ich mir an dieser Stelle Zeit für einen weiteren Blick nehmen.
Inspiriert durch unterschiedliche Literatur, zum Beispiel durch das Buch Gastrologik von Charles Spence, ist mir deutlich geworden, wie viele verschiedene Aspekte unsere Nahrungsaufnahme, das Schmecken und die Wahrnehmen von Nahrung beeinflussen. Neben dem Schmecken und Riechen sind eigentlich alle Sinne aktiv. Beim Kocherlebnis spielen Optik, Haptik und Akkustik für die Kochlust eine große Rolle und das betrifft eben auch das Ambiente, die Räumlichkeiten und das allgemeine Drumherum.
Ein ganz eigener Wissenschaftszweig führt hierzu Forschungen durch, deren Ergebnisse sich vor allem die Lebensmittelindustrie zu Nutze macht. Warum sollten wir nicht auch für unsere kulinarischen Lernsettings dieses Knowhow nutzen? Die Größe der Teller, die Farbe des Geschirrs oder die Schwere des Bestecks …, alles hat Einfluss auf unser Essverhalten und das Geschmacksempfinden. Und wenn man erstmal anfängt zu überlegen, findet man schnell noch viel viel mehr.
Natürlich wird es wohl kaum umsetzbar sein bei der Planung einer Lehrküche die Wirkung jedes Details zu überprüfen und dementsprechend zu handeln. Allerdings macht es sicherlich Sinn sich zu folgender Frage ein paar Gedanken zu machen:
Was braucht eine Lehrküche heute, um Teilnehmer*innen mit Freude zum Kochen, Genießen und Lernen zu inspirieren?
Folgende, manchmal auch ganz banale Punkte sind mir dabei in den Sinn gekommen:
Zur Ausstattung: Funktionierende und saubere Geräte, ausreichend Geschirr und eine saubere Küche sind ein guter Ausgangspunkt. Die Ausstattung sollte übersichtlich in die Schränke sortiert sein und ein möglichst intuitives Einräumen nach dem Kurs ermöglichen. Helle Räume, gutes Licht und eine angenehme Akustik vereinfachen die Kommunikation und geben Klarheit. Und optimal, um dem gemeinsamen Geschehen zu folgen, ist eine Kochinsel. Auch sind unterschiedliche Arbeitshöhen und ein unterfahrbarer Arbeitsplatz für Rollstuhlfahrer heutzutage unabdingbar.
Zum inhaltlichen Kursgeschehen: Jede*r benötigt Zeit zum Kennenlernen, Austauschen und Ausprobieren. Die Praxis soll gute Laune machen und eine inhaltliche Themenvielfalt bieten. Individuelle Bedürfnisse und Vorlieben sollen Raum finden und bestenfalls eine Reflexion des eigenen Koch- und Essverhalten ermöglichen (jedoch ohne erhobenen Zeigefinger). Alle Sinne dürfen und sollten angesprochen werden. Natürlich braucht es hierfür auch eine*n motivierte*n und engagierte*n Kursleiter*in.
Kochen und Essen ist etwas gemeinschaftliches: Daher ist neben einer guten Lehrküche auch der Speiseraum oder –bereich mindestens genauso wichtig. Das gemeinsame Verkosten, das Austauschen über die Speisen und Kochtechniken, sollten in angenehmer Atmosphäre stattfinden. Ein großer Tisch, gerne nur sporadisch aber nett, mit ein paar Servietten und Kerzen gedeckt, schön angerichtete Speisen und ein einfaches Gedeck für jede*n genügen hier. Die Wände, evtl. in gedeckten Farben, passende Stühle, ein stilvoller Spiegel oder Bilder gerne auch ein Kronenleuchter – je nach Räumlichkeit lässt sich oft mit Kleinigkeiten schon viel Wirkung erzielen.
Heute tritt das Kochen im Alltag in zeitliche Konkurrenz zu sämtlichen anderen Freizeitaktivitäten. Lifestyle und Eventcharakter spielen eine immer größere Rolle. Was natürlich nicht heißt, dass bei einem Event nicht auch wichtige Informationen und grundlegende Kochtechniken vermittelt werden und die Teilnehmer*innen hoffentlich weiterhin Lust am Kochen finden.
In dem Workshop „Organisation und Planung von Lehrküchen“ wird auch auf der Bundesfachkonferenz auf das Thema weiter eingegangen. Vielleicht habt ihr ja Lust dabei zu sein.